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Was wäre eine angemessene Kündigungsfrist?

Erstellt von ichmusshierweg vor 4 Jahren Letzter Beitrag vor 4 Jahren 2.054 Views
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ichmusshierweg Themenstarter:in
4 Beiträge seit 2019
vor 4 Jahren
Was wäre eine angemessene Kündigungsfrist?

Servus.

Zu meiner Situation: ich bin seit einigen Jahren als Softwareentwickler bei einem kleinen Unternehmen angestellt. Im Großen und Ganzen ist alles cool, aber aus verschiedenen Gründen fühlt sich meine berufliche Situation zunehmend wie eine perspektivlose Beziehung an - es geht nichts, aber bisher war ich zu faul um Schluss zu machen.

Ich habe vor zu kündigen um einen neuen Arbeitgeber zu suchen, will aber meinem jetzigen Arbeitgeber die Möglichkeit geben eine(n) Nachfolger(in) zu finden und einzuarbeiten. Aus meiner Insider-Sicht sollten meine Aufgaben für jeden durchschnittlichen Programmierer zu bewältigen sein. Nun zu meinen Fragen:

  • Ich will der Firma eine faire Chance einräumen einen Nachfolger zu finden. Ist da eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zu viel des guten Willens meinerseits? Würden schon drei Monate ausreichen oder evtl. noch mehr?

  • Macht es Sinn in Vorstellungsgespräche zu gehen um dort dann zu verkünden, dass man erst in einem halben Jahr kommen will? Würde bei euch so jemand genommen werden?

  • Ist es für mich überhaupt zu verantworten aus Rücksicht auf meinen jetzigen Arbeitgeber mit einer langen Kündigungsfrist zu kündigen, ggf. sogar ohne einen neuen Arbeitsvertrag in der Hand? Verfalle ich da irgendwelchen gutmenschlichen Verantwortungsillusionen oder ist ein solches Verhalten Gang und Gäbe und wird vielleicht sogar von neuen Arbeitgebern gerne gesehen?

Ich bin gespannt auf eure Ratschläge und Erfahrungsberichte.

16.807 Beiträge seit 2008
vor 4 Jahren

Glaubst Du denn, dass Du als Arbeitnehmer wirklich sooo individuell attraktiv bist, wenn Du "eigentlich gar keine richtige Lust hast zu wechseln" ? 🤔

2.078 Beiträge seit 2012
vor 4 Jahren

Ich hatte letztes Jahr eine ähnliche Situation.

Ich habe anderen Firmen auch gesagt, dass ich die Möglichkeit lassen möchte, mich zu ersetzen, die Reaktionen waren eher weniger begeistert, die meisten wollten das gar nicht.
Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass z.B. Consulting-Unternehmen, die nicht konkret Verstärkung brauchen, sondern für die Zukunft vorsorglich einstellen, damit flexibler umgehen können. Firmen, die selber Projekte führen und entsprechend selber Verstärkung brauchen, haben unter Umständen gar nicht die Möglichkeit, auf dich zu warten und lassen daher Anderen den Vorrang.

Bei mir war jedenfalls das Ende vom Lied, dass ich meine Pläne für einen Wechsel verworfen und mich dazu verpflichtet habe, noch min. ein Jahr zu bleiben.

Das ist jetzt über ein Jahr her und es gibt immer noch keine Verstärkung, die meinen Platz übernehmen kann.
Jetzt bin ich wieder auf der Suche und diesmal habe ich für mich beschlossen, dass ich keine Gnadenfrist gebe.

Lange Rede, kurzer Sinn:
Je nach Art des Unternehmens, kann es sein, dass sie das mit machen, aber ich denke, die Mehrheit macht das nicht.
Außerdem ist meine Erfahrung, dass eine "Gnadenfrist" für die Beschaffung eines Nachvolgers nicht sehr viel bringt.

Das heißt, wenn Du einen Arbeitgeber gefunden hast, wo Du denkst, dass Du dort zufrieden sein wirst, dann lass dir die Chance nicht entgehen. Die Kündigungsfrist ist dann die gesetzlich oder vertraglich definierte Frist.

I
ichmusshierweg Themenstarter:in
4 Beiträge seit 2019
vor 4 Jahren

Danke für den Erfahrungsbericht Paladin007.

49.485 Beiträge seit 2005
vor 4 Jahren

Hallo ichmusshierweg,

ich finde es gut, dass du dir Gedanken machst, wie du für deine Arbeitgeber die Nachteile deines Weggangs reduzierst oder vermeidest. Auf der anderen Seite ist der Fall des Weggangs bereits im Arbeitsvertrag geregelt, vor allem ist schon im Arbeitsvertrag festgelegt, welche First hier angemessen ist, also einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen von AN und AG schafft.

Ich denke, was immer die vereinbarte Frist ist, ist für beide Seiten ok. Falls nicht, Augen auf beim nächsten Vertragsabschluss. 😃 Das gilt für den AG natürlich genauso und liegt nicht in deiner Verantwortung.

Wenn es also nicht besondere Umstände gibt, sehe ich es nicht als erforderlich an, dem Arbeitgeber eine längere First anzubieten oder zuzugestehen. Und solche besondere Umstände sehe ich nicht, wenn du schreibst, dass "meine Aufgaben für jeden durchschnittlichen Programmierer zu bewältigen sein [sollten]".

Davon abgesehen ist es auch für den Arbeitgeber nicht unbedingt erstrebenswert, wenn du länger als nötig in gekündigter Stellung arbeitest. Ein damaliger Arbeitgeber von mir hatte mir eigennützige Motive unterstellt, als ich einen Monat länger bleiben wollte, um eine begonnene Aufgabe abzuschließen, dabei hatte diese Aufgabe einige Wichtigkeit für die Sicherheit der Firma.

Ich würde an deiner Stelle nicht auf "Vorrat" kündigen, sondern mich immer aus ungekündigter Stellung bewerben und erst kündigen, wenn ich einen neuen festen Vertrag in der Tasche habe. Außerdem würde ich darauf achten, dass der neue Arbeitgeber wirklich Bedarf und Interesse hat und einen nicht sofort am ersten Tag der Probezeit kündigt, weil er einen doch nicht braucht. Nur so kann man ein durchgängige Beschäftigung einigermaßen sicherstellen.

herbivore

3.003 Beiträge seit 2006
vor 4 Jahren

Punkt 1: nie kündigen, wenn man nicht bereits den neuen Job in der Tasche hat. Keine Ausnahmen.

Punkt 2: sechs Monate halte ich für gewagt. Ich befinde mich gerade in den letzten 4 Wochen, bevor ich den Job wechsle, und habe die drei Monate Kündigungsfrist benutzt, um Projekte abzuschließen, Dokumentation zu schreiben und Mitarbeiter zu schulen. Ich habe die drei Monate auch im Bewerbungsgespräch als nicht verhandelbar präsentiert, und das kam sehr gut an.

Arbeitgeber neigen dazu, Mitarbeiter zu mögen, die keine "nach mir die Sintflut"-Mentalität haben. Auf der anderen Seite planen Arbeitgeber auch gern, und ein halbes Jahr ohne Aussicht auf Besserung mit zu wenig Leuten arbeiten zu müssen, ist sicherlich nicht das Ideal.

Punkt 3: wenn eine Firma auch nach angemessener Frist dich nicht ersetzen kann (der Arbeitsmarkt ist nun mal leer), so ist das nicht deine Schuld und auch nicht dein Problem. Vielmehr sollte der Arbeitgeber mal überlegen, ob er eine langfristige Strategie zur Mitarbeitergewinnung hat, ob das Wissen in seinem Betrieb gut genug verteilt ist oder ob es "unkündbare" Wisseninseln gibt, und ob er wirklich genug Mitarbeiter hat. Wenn ich mich an mein BWL richtig erinnere, braucht man Pi mal Daumen 30% mehr Mitarbeiter als man eigentlich an Stellen hat (Urlaub, Krankheit, Einarbeitung...). Jedenfalls ist das Managementversagen und sollte nicht auf dem Rücken des kündigungswilligen Mitarbeiter kompensiert werden, wie das bei Palladin007 offenbar war. Goodwill ist das eine, sich ausnutzen lassen das andere.

Langer Rede kurzer Sinn: die Kündigungsfrist sollte lang genug sein, offene Projekte zu beenden und seine Stelle bestmöglich zu übergeben, und kurz genug, um attraktiv für neue Arbeitgeber zu bleiben. Für mich gilt: 4 Wochen ist zu kurz, drei Monate (8-16 Wochen) okay, ein halbes Jahr zu lang.

LaTino

"Furlow, is it always about money?"
"Is there anything else? I mean, how much sex can you have?"
"Don't know. I haven't maxed out yet."
(Furlow & Crichton, Farscape)

B
357 Beiträge seit 2010
vor 4 Jahren

Ich hatte ebenfalls mal das zweifelhafte Vergnügen, den Job wechseln zu müssen. Ich war eigentlich fest angestellt bei einem Gehalt, das jetzt eher unterdurchschnittlich war, aber mich jetzt auch nicht in finanzielle Nöte gestürzt hat. Allerdings hatte der Chef eines Tages verkündet, dass man für die Sanierung der Firma ab dem kommenden Monat auf 15% Gehalt verzichten müsse. Ich hatte 2300€ Brutto und 15% Kürzung waren für mich schlichtweg nicht diskutabel. Ich hätte damit leben können, erst mal Überstunden zu schieben oder dergleichen, aber Geld kürzen ohne Möglichkeit des Ausgleichs war für mich nicht tragbar. Ich kam eh schon am Monatsende immer bei einer schwarzen Null raus, ohne groß Geld zum Fenster rauszuwerfen und das hätte ein Dauerminus bedeutet - zumindest wenn ich keinen Umzug machen oder halt Strom oder Essen massiv kürzen wollte.

Also hab ich für mich klar gesagt: Gut, ich unterschreibe erst mal den neuen Vertrag, aber bewerbe mich ab sofort direkt woanders. Als ich dann einen neuen Arbeitsvertrag hatte (mit unbedingtem Bedarf beim neuen AG! Der hat mir die Bewerbung fast aus der Hand gerissen, weil er dringend eine handvoll Entwickler gesucht hat), habe ich direkt gekündigt, die 4 Wochen noch weiter meine Arbeit gemacht, ohne irgendwelche Gedanken daran, meinem alten AG noch eins reinzuwürgen - sowas ist unprofessionell. Ich habe sauber meine Sachen dokumentiert, eine ordentliche Übergabe gemacht und war dann weg. Drei Tage vor meinem letzten Arbeitstag hat mich mein alter AG fast noch angefleht, doch noch zu bleiben, weil es in einem Jahr doch bestimmt wieder aufwärts ginge, aber so war es halt dann. Ich kann nicht ein Jahr oder länger mein Erspartes aufzehren, trotz Vollzeitjob, nur um die laufenden Kosten zu decken. Natürlich hätte ich hier und da noch was einsparen können und es wäre irgendwie ja doch gegangen, aber wie du selbst schon geschrieben hast: Ich hab auch keine Perspektive auf Besserung gesehen und ein Vorwärtskommen war irgendwie auch nicht absehbar. Insofern war es die richtige Entscheidung. Ein ehemaliger Kollege ist 2 Jahre(!) nach mir ebenfalls gegangen, weil es da eben immer noch nicht besser war.

LaTino hat die Punkte gut genannt, auf die geachtet werden sollte. Und herbivore hat auch auf den Arbeitsvertrag hingewiesen, der im Zweifelsfall halt gilt.

I
ichmusshierweg Themenstarter:in
4 Beiträge seit 2019
vor 4 Jahren

Danke auch allen anderen für die Erfahrungsberichte.